Raja Janaka
Raja Janaka war
Herrscher über das sagenumwobenen Königreich Mithila,
welches sich über Bereiche des heutigen Nordindien und
südlichen Nepal erstreckte. Raja Janaka galt nicht nur als
weiser Herrscher, sondern auch als großer Heiliger. Zudem
war er der Vater Sitas, welche als Inkarnation der Göttin
Lakhsmi später Rama heiratete, und zu einer zentralen Figur
im Epos der Ramayana wurde.
Die Legende erzählt, dass die Weisen vor langer Zeit den
Körper von Nimi (Shri Devi Bhagavatam, Kap. 9) rührten, und
so ein Kind hervorbrachten, welches Janaka genannt wurde.
Da das Kind nicht aus dem Körper einer Mutter geboren
wurde, wurde er auch
Videha genannt. Die
Nachfahren dieser Dynastie wurden ebenso Videha oder Janaka
genannt, und durch die Gnade des Weisen Yaajnavalka sollen
alle die Erleuchtung erlangt haben.
Als Janaka beim Pflügen seines Feldes ein Baby fand, nahm
er das erdgeborene Mädchen als seine Tochter an und gab ihr
den Namen Sita. Sita wurde später mit Shri Rama vermählt,
welcher als Verkörperung Shri Vishnus ca. 6000 Jahre vor
Christus das Zeitalter der Zwillinge einläutete.
Die
Vermählung von Rama und Sita
Siradhwaja Janaka war ein großer Gelehrter und
Erleuchteter. Als seine Tochter Sita das heiratsfähige
Alter erlangt hatte, wurde eine Swayamvara-Zeremonie
angesetzt. Bei diesem im alten Indien üblichen Brauch,
durfte sich die Prinzessin ihren Bräutigam unter den
versammelten Prinzen selbst auswählen. Zu diesem Zweck
wurden Fürsten und Könige aus allen Teilen der Welt nach
Mithila eingeladen. Viele kamen und wollten Sita als
Gemahlin heimführen.
Um diese Zeit hielten sich die beiden Prinzen Rama und
Lakshmana in der Einsiedelei des berühmten Weisen
Vishwamitra auf, um dessen Opferzeremonien vor den
Angriffen böser Dämonen zu beschützen. Vishwamitra war
ebenfalls von König Janaka eingeladen worden, der
Swayamvara-Zeremonie Sitas beizuwohnen. Nachdem er seine
Opferzermonie dank der jungen Prinzen erfolgreich beendet
hatte, lud er Rama und Lakshmana ein, nach Mithila
mitzukommen. Sie wanderten durch den üppigen Wald, genossen
die Schönheit der herrlichen Natur und nahmen ihr Bad im
heiligen Fluss Ganges. Bevor sie die Stadt des König Janaka
erreichten, befreite Shri Rama Ahilya, welche durch einen
Fluch in einen Stein verwandelt worden war.
Als Janaka die Ankunft des Weisen gemeldet wurde, eilte er
ihm entgegen, erwies Vishwamitra die Ehre und geleitete
ihn, Rama und Lakshmana mit großem Respekt in seinen
Palast. Erst nachdem der Rishi Platz genommen hatte und die
beiden Prinzen nahe seinen Füßen saßen, wurde der König
neugierig und fragte:
„O Herr der Weisen, bitte verbergt mir nichts und
erzählt mir, wer diese beiden strahlenden Jünglinge sind?
Hat sich nicht das Höchste Absolute, welchem meine Seele
vollkommen hingegeben ist, in diesen beiden Jünglingen
manifestiert? Mein Geist hat das Interesse an weltlichen
Vorlieben aufgegeben und wird nicht im Geringsten von
Wünschen gestört. Dennoch benimmt er sich heute in
Gegenwart dieser beiden Jünglinge sonderbar. Ihre
Ausstrahlung wirkt auf mich, wie der Mond auf das
rotbeinige Rebhuhn."
Janaka, dessen Gemüt und Herz vollkommen auf Gott gerichtet
waren, war von Rama und Lakshmana beeindruckt. Seine
Aufmerksamkeit wurde von dem inneren Quell des Friedens
abgelenkt und richtete sich auf Shri Rama. Das war ein
natürlicher Vorgang. Wer würde schon dem Unsichtbaren
folgen, wenn er das Glück hat, einer seiner Manifestationen
gegenüber zu stehen?
Die Zuneigung des Königs zu dem strahlenden Prinzen war
grenzenlos. Dies wird auch in folgender Begebenheit
offenkundig: Nach der Hochzeitszeremonie führte Shri Rama
seine Braut heim nach Ayodhya. Eine lange Reihe von
Menschen folgte dem jungen Brautpaar. Auch König Janaka
folgte dem Wagen des Brautpaares, um sich von seiner
Tochter und seinem Schwiegersohn zu verabschieden. Nach
einiger Zeit bat Dasharatha, der Vater Ramas, König Janaka
zu seinem Palast zurückzukehren. Doch Janaka wollte Rama
nicht aus seinem Blick verlieren. Erst als Dasharatha
darauf bestand, stieg König Janaka von seinem Wagen und
wandte sich mit Tränen in den Augen an Rama:
„Oh Rama, ich finde keine Worte, die ausreichen
würden um dich gebührend zu ehren. Du erscheinst mir wie
der weiße Schwan, welcher im Mansarovar-See schwimmt,
vergleichbar mit dem Geist der Weisen und Lord Mahadevas
(Shri Shiva). Um diesen Bewusstseinszustand zu erreichen,
legen die Einsiedler Ärger, Anhaftung und Arroganz ab und
praktizieren Yoga.“
Als Rama für
vierzehn Jahre ins Exil gehen musste, sandte Janaka Spione
nach Ayodhya, um mehr über die Absichten Bharatas zu
erfahren und war erst zufrieden, als ihm seine Agenten von
der tiefen Liebe Bharatas zu seinem Bruder Rama
berichteten. Später suchte er Rama im Wald von Chitrakuta
auf. Bei dieser Gelegenheit traf er auch Bharata, doch
sagte er nichts, da er fürchtete die Gefühle eines der
beiden zu verletzen. Die Liebe Janakas zu Rama mag als
mystisch beschrieben werden und lässt sich durch Worte
nicht ausdrücken. Janaka folgte dem Weg des Karma-Yoga in
höchster Vollendung und war einer der zwölf
„Bhagwatacharyas“.
Auf der Suche nach Erleuchtung
Der Wunsch des Raja Janaka war es, Atma Jnana, das Wissen
über das Selbst zu erlangen, selbst wenn dies nur einen
winzigen Moment wären würde. So sandte der er eine
Nachricht an die Bürger in seinem Königreich: „Wo
immer sich unter euch ein großer Gelehrter, ein Pandit, ein
Mahatma, ein Yogi, ein Maharishi oder ein Weiser befindet,
der mich das Wissen über das Atma lehren kann, bringt ihn
zu mir. Sollte diese Person es jedoch nicht fertig bringen,
mich für einen ganz kurzen Moment die Erfahrung des Atma
Jnana machen zu lassen, dann will ich sie gar nicht sehen,
auch wenn es sich um den größten Gelehrten oder die
gebildetste oder besterzogene Person im ganzen Land
handelt.“
Die Einladung des Königs beunruhigte all die Pandits und
Rishis im Lande. Ihre Gelehrsamkeit und ihr guter Ruf
standen auf dem Spiel und so wagte es niemand dem Angebot
des Königs zu folgen.
Eines Tages wanderte ein Jüngling namens Ashtavakra auf der
Straße nach der Hauptstadt Mithilapuram. Immer wieder
begegneten ihm Gelehrte und Pandits mit bekümmerten Minen
und sorgenvollen Gesichtern. Als sie Ashtavakra nach dem
Grund ihrer Sorge fragte, erzählten ihm die Gelehrten, was
passiert war. Ashtavakra konnte ihre Furcht nicht verstehen
und versprach das Problem für den König zu lösen!
So begab er sich schnurstracks an den Hof des großen
Janaka. Nachdem ihn ein Diener vor den Herrscher geführt
hatten sprach er: „Mein verehrter König. Ich bin
bereit, euch die Erfahrung des Atmas zu lehren, so wie ihr
es gewünscht habe. Aber dieses heilige Wissen ist nicht so
einfach zu vermitteln. Dieser Palast ist voll von Rajo und
Tamo Guna. Wir müssen ihn verlassen, um an einen Ort zu
gelangen, an dem reines Sattwa Guna herrscht.“
So verließen sie also den Palast und folgten einer Straße,
welche von der Stadt hinaus in die Wildnis führte. Zu
dieser Zeit war es Brauch, dass die Armee ihrem König
hinterdrein folgt, so bald dieser die Stadtmauern verlässt.
Als sie den Wald erreichten, erteilte Janaka seinen
Befehlshabern die Anweisung, mit dem Heer am Waldrand zu
warten. Dann folgte er dem Jüngling zu Pferd auf dem
Fahrweg in den Wald. Nach einem Stück des Weges sprach der
Jüngling: „O großer Herrscher! Ich kann euren Wunsch
nur erfüllen, wenn ihr auch meine Bedingungen erfüllt. Ich
bin zwar nur ein Knabe, dennoch muss ich jetzt die Position
eines Lehrers und ihr, der mächtige Herrscher, jene eines
Schüler einnehmen. Wenn ihr bereit seid, dieses Verhältnis
zu akzeptieren, dann müsst ihr mir als eurem Guru ein
Dakshina (Geschenk) anbieten. Erst danach will ich meine
Unterweisung beginnen.
König Janaka antwortete: „Das Erreichen des
Göttlichen ist mein höchstes Ziel, daher gebe ich dir, was
immer du willst.“ Ashtavakra erwiderte: „Ich
bin an materiellen Dingen nicht interessiert, mein König.
Alles was ich will, ist über euer Denkvermögen zu
gebieten.“ König Janaka sprach: „Meine
geistigen Fähigkeiten sind dein.“ Daraufhin bat
Ashtavakra den König vom Pferd zu steigen und sich mitten
auf den Weg zu setzen. Dann ging er ein Stück in den Wald
hinein und setzte sich still unter einen Baum.
Nachdem einige Zeit vergangen war, wurden die Soldaten
unruhig. Weder von ihrem König noch von Ashtavakra war ein
Lebenszeichen zu sehen und so beschlossen sie
herauszufinden, was passiert war. Einer nach dem anderen
folgten sie dem Weg, welcher in das Gehölz hineinführte. Es
dauerte nicht lange und sie fanden ihren König in der Mitte
des Weges sitzen. Sein Pferd stand vor ihm, Janaka hatte
die Augen geschlossen und saß still und regungslos da. Von
Ashtavakra war nichts zu sehen. Mit bangen Gesichtern
standen die Offiziere da und fürchteten, dass Ashtavakra
ihren König mit einem Zauberspruch belegt und ihm das
Bewusstsein geraubt haben könnte. Besorgt sandten sie nach
dem Ministerpräsidenten.
Als dieser eingetroffen war, wandte er sich an Janaka und
rief: „Oh mein König! Oh mein König! Oh mein
König!“ Doch Janaka blieb still. Mit geschlossenen
Augen saß er da und rührte sich nicht. Die Zeit verstrich
und es wurde Abend ohne dass sich der König gerührt hätte.
Da er keine andere Möglichkeit mehr sah, sandte der
Minister nach der Königin. Nachdem diese eingetroffen war,
wandte sie sich besorgt an ihren Gemahl und sprach:
„Oh Raja! Raja! Mein Raja!“ Doch Janaka blieb
unbewegt und antwortete nicht.
In der Zwischenzeit suchten die Soldaten den gesamten Wald
nach Ashtavakra ab und fanden ihn vollkommen friedlich und
gelassen unter einem Baum sitzen. Als sie ihn aufforderten,
mit ihnen mitzukommen sprach Asthavakra: „Warum macht
ihr euch solche Sorgen? Der König ist in Sicherheit und
alles ist in bester Ordnung.“ Doch die Soldaten
ließen sich nicht beirren und brachten Asthavakra vor den
König, der noch immer mit geschlossenen Augen und völlig
still in der Mitte des Weges saß. Ein Soldat sagte:
„Sieh selbst was mit unserem König passiert
ist!“
Als ihn Ashtavakra ansprach, öffnete Janaka seine Augen und
erwiderte: „Swami?“ „Gut mein König. Eure
Minister, eure Soldaten und viele andere eures Volkes sind
gekommen, warum habt ihr ihnen nicht geantwortet?“
Der König antwortete: „Gedanken, Worte und Taten sind
untrennbar mit den geistigen Fähigkeiten eines Menschen
verbunden und diese Fähigkeiten waren mein Dakshina an
dich. Daher benötige ich deine Erlaubnis dazu. Wie hätte
ich ohne deine Einwilligung oder deinen Befehl zu jemanden
sprechen können?“
Ashtavakra sagte: „Ihr habt den Zustand der
Gottesrealisation erreicht.“ Dann gebot er dem König
sein Pferd zu besteigen und genau in diesem Moment, als
Janaka in den Steigbügel stieg und sich auf sein Pferd
schwang, erfuhr er für einen kurzen Moment das Geheimnis
des Atmas.
Diese Geschichte dient als Beispiel für die Tiefe und
Hingabe in einer idealen Meister-Schüler Beziehung. Der
Schüler ist dem Meister vollkommen hingegeben und
unternimmt keine Schritte, bevor er nicht von ihm dazu
autorisiert wurde.
Der
weise Lehrer des Königs
Die folgende
Geschichte dient als Beispiel für die Entwicklung des
rechten Maßes und eines guten Sinnes für die richtigen
Werte, um zu lernen, dass man die Dinge dieser Welt nur mit
der Intensität lieben sollte, die sie wert sind.
Im Reich von
Mithila unterrichtete Suka, der reinste und weiseste aller
Lehrer eine Anzahl von Schülern unter denen sich auch König
Janaka selbst befand. Eines Tages begann Suka sehr spät mit
seiner Lehrrede, da Janaka nicht gekommen war. Die anderen
Schüler ärgerten sich über diese Bevorzugung. Wie sie
fühlten, dass ihr Meister diese banalen Eifersüchteleien
bedauerte, wusste Suka, dass die Gedanken seiner Schüler
noch immer an Falschheit und Vorurteile gebunden waren und
so entschied er den Neid aus ihren Herzen zu entfernen.
In heiterer Gelassenheit wartete der Meister das Eintreffen
Janakas ab. Nachdem der König Platz genommen hatte, begann
Suka seine Unterweisung vom ‚Atma Bodha’, der
alleinigen Wirklichkeit des innersten Selbst. Alles andere
gehöre der vergänglichen Welt der Formen an und bedecke das
Atma wie ein Nebel aus Illusion und Ignoranz, sagte der
Meister und richtete es mit Hilfe seiner mystischen Kräfte
ein, dass am Horizont über der Hauptstadt roter Feuerschein
wahrzunehmen war. Aus der Ferne schien Mithila in Flammen
zu stehen. Als die Schüler den roten Schein am Horizont
wahrnahmen, sprangen sie plötzlich auf und liefen in
Richtung Mithila davon, nur mehr an sich selbst und ihren
Besitz denkend.
Einzig Janaka war ungerührt sitzen geblieben. Er hatte
verstanden, das alles was dem Feuer zum Opfer fallen
konnte, nur der vergänglichen Welt der Erscheinungen
angehört und im Sinne der ewigen Wirklichkeit des Atmas
unwirklich war. Als Suka den König aufforderte zu retten,
was noch zu retten sei, entgegnete Janaka, dass sein
größter Schatz das ‚Jnana’, das Wissen sei,
welches der Meister ihm gewähre. Die Welt der
Erscheinungen, welche vor allem für die äußeren Instrumente
des Wissens zugänglich sei, bekümmere ihn nicht weiter.
Da enthüllte ihm der Meister, dass der Feuerschein nur eine
von ihm erzeugte Illusion war, um den anderen Schülern den
Unterschied zwischen echter Gelehrsamkeit und deren eigener
Oberflächlichkeit aufzuzeigen.
König
Janaka sucht die höchste Wahrheit
Wissen
aus vergangenen Leben:
Einmal suchte Janaka den Weisen Yaajnavalkya auf und sprach
ihn respektvoll an: „O Weiser! Bitte lasst mich etwas
über die Umstände meiner früheren Leben wissen?“ Der
Weise antwortete: „Was vorbei ist, ist vorbei. Es
gibt keinen Grund dafür, sich die Vergangenheit wieder ins
Gedächtnis zu rufen. Ihr habt eine lange Reise hinter euch
und solltet euch über den Weg den ihr gegangen seid, nicht
kümmern. Es wird euch nicht zum Ruhm gereichen.“
Obwohl der Weise mit vielen Argumenten versuchte, den König
von seinem Anliegen abzubringen, bestand dieser dennoch
hartnäckig darauf, mehr über seine früheren Leben zu
erfahren.
So versenkte sich Yaajnavalkya tief in Meditation und
sprach danach zu dem Herrscher: „Janaka, eure Ehefrau
in diesem Leben war in eurem vorigen Leben eure
Mutter.“ Als er die Worte des Weisen vernommen hatte,
war Janaka schockiert. „Welch charakterloser Kerl bin
ich nur, dass ich meine Mutter aus einem früheren Leben in
diesem Leben als Gemahlin erwählte habe? Ich muss dieses
missliche Leben aufgeben.“ Von diesem Moment an,
begann er seine Königin wie seine Mutter zu behandeln, gab
alle Verhaftungen an weltliche Dinge auf und machte sich
auf die Suche nach spirituellem Wissen.
Von
der Bedeutung des Traumes:
Eines Nachts träumte Janaka, dass er sein Königreich
verloren habe und ein Bettler sei. Vom Hunger gezeichnet
bat er in den Straßen um Almosen. Schließlich hatte eine
Person Mitleid mit ihm und reichte ihm einen Happen zu
essen, doch sogar dieser fiel ihm aus den Händen. In diesem
Moment erwachte der entsetzte König aus seinem Traum und
fand sich selbst im königlichen Schlafzimmer des Palastes
wieder. „Was ist nun wirklich, die Traumwelt oder die
Welt des Tagesbewusstseins?“ fragte sich der König.
Auch die Königin wusste keinen Rat und so entschieden sie,
den berühmten Rishi Vasishta aufzusuchen. Nachdem sie dem
Weisen die Angelegenheit vorgetragen hatten, sprach dieser:
„O König, beide Welten sind auf eine Weise real, aber
es gibt auch noch eine dritte Sicht der Dinge. Auch wenn
ihr in der Traumwelt ein Bettler und in der Welt des
Tagesbewusstseins ein König seid, sind beide dieser Welten
doch nicht wirklich und dem dauernden Wandel unterworfen
Nur euer Selbst ist die absolute und unveränderlich
zeitlose Realität hinter dem Traum und dem
Tagesbewusstsein.“
Redekampf
der Weisen:
Einmal berief König Janaka eine Versammlung der Weisen des
Landes ein. Bei dieser Zusammenkunft kam es zwischen der
einer weisen Frau namens Gargi und Yaajnavalkya zu einem
Streitgespräch, wobei keiner den anderen besiegen konnte.
Schließlich stellte Gargi dem König Janaka eine Frage:
„O König, was sind die Kennzeichen eines Sthitha
Prajna?“ Janaka antwortete: „Ein Sthitha Prajna
hat die Einheit mit dem Höchsten Absoluten
verwirklicht.“
„Wer diesen Zustand erreicht hat, ist sich der
immerwährenden Einheit alles Seins bewusst“,
vollendete Gargi den Satz des Königs. „Auch Ihr,
verehrter König, befindet euch derzeit noch nicht in diesem
Zustand und ich möchte ihn erreichen. O König, wollt ihr
mir einen Wunsch erfüllen?“
„Gewiss“, antwortete Janaka. „Dann nehmt
mich zu eurer Gemahlin“, bat Gargi, doch der König
antwortete: „Es tut mir leid, aber ich bin bereits
verheiratet und möchte nicht noch eine Frau
ehelichen.“
Gargi sagte: „O König. Ihr seid ein großer Jnani
(Wissender). Darf ich euch fragen, welche Belohnung ihr dem
großen Yaajnavalka verleihen wollt?“ „Ich gebe
ihm, worum immer er mich bittet“, antwortete Janaka.
Yaajnavalkya, eine überragende Gestalt dieser
Geistesepoche, hatte zu dieser Zeit die vollkommene
Kontrolle über seine Sinne noch nicht erreicht hatte,
sprach: „O König, dann bitte ich euch, mir Gargi zur
Gemahlin zu geben.“ Lautes Gemurmel erhob sich in der
Menge und die Gelehrten fragten sich was das zu bedeuten
hatte.
„Welchen Zweck hat eine Hochzeit?“ fragte Gargi
und Yaajanavalkya antwortete: „Nachkommen zu
zeugen“. Gargi widersprach dem Weisen: „Nein!
Die Ehefrau sollte für den Gemahl ein gleichwertiger
Partner (Ardhaangi) sein. Das bedeutet, dass sie als eine
Dharmapatni (rechtschaffene Ehefrau) gemeinsam mit ihrem
Gatten dem Dharma folgen sollte. Der Zweck der Ehe ist dem
Dharma zu folgen und nicht, an weltlichen Genüssen Freude
zu finden. Auch unser Herrscher findet in seinem Palast an
sinnlichen Freuden Gefallen. Aber sogar die Hunde auf den
Straßen tun das. Sollte das etwa wahre Freude sein?“
Der
klassische Advaita-Dialog zwischen König Janaka und dem
Weisen Ashtavakra:
Das göttliche
Wesen geht im Lauf der Geschichte immer wieder in eine
zeitgebundene Form ein und wirkt als Heiland in der
Schöpfung, die seine eigene Natur ist. Dann spricht Gott
mit Menschenzunge und verkündet reines Wissen über Welt und
Mensch. Meist wurden diese göttlichen Offenbarungen
mündlich weitergegeben, später dann auch aufgeschrieben.
Eine der größten dieser Verkündigungen ist die Bhagavad
Gita – eigentlich „gesungene Rede“. Neben
der Bhagavad Gita kennt die Überlieferung des Hinduismus
ein ganzes Bündel verwandter Offenbarungsreden.
Unter diesen
Sammlungen findet sich auch eine Gita aus Menschenmund, die
hier übersetzte „Ashtavakra-Gita“. Sie handelt
vom Empfinden eines, „der alles von sich
abgeschüttelt hat“ (Avadhuta) und nur noch äußerlich
ein Mensch ist.
Die Mahabharata berichtet von Ashtavakra, der schon als
Kind im Mutterleib – 'als Leibesfrucht dem Feuer
gleich' – sprechen konnte und bereits als
zwölfjähriger Knabe gelehrte Brahmanen im Redekampf
besiegte.
Ob die nun
folgende Unterweisung des Ashtavakra an König Janaka
tatsächlich so stattgefunden hat oder ob die Namen Janakas
und Ashtavakras später eingefügt wurden, um an die
Brihad-Aranyaka-Upanishad anzuknüpfen und ihn so zu einem
Stück Erbgut des großen Altertums zu stempeln, kann heute
schwer gesagt werden.
Ashtavakra-Gita,
Erster Gesang:
Janaka sprach:
Wie kann wahres Wissen erworben werden? Wie wird Erlösung
erlangt?
Und wie wird Verlangenslosigkeit erreicht? Das sage mir, o
Herr!
Ashtavakra sprach:
Verlangst du
nach Erlösung, Kind, so meide die Sinnenwelt wie Gift. Aber
Langmut und Geradheit, Erbarmen, Heiterkeit und
Wahrhaftigkeit nimm an, als wenn es Nektar wäre.
Nicht Erde,
nicht Wasser, nicht Feuer und nicht Wind, noch der
Himmelsraum (Äther) bist du, mein Freund! Wisse, dein Wesen
ist reiner Geist, unbeteiligter Zeuge von all dem.
Wenn du den Leib
beiseite lässt und findest ruhevoll im Geiste deine Mitte,
wirst du zu Glückseligkeit, friedvoll, von all den Banden
erlöst.
Keinem Stande
gehörst du an: Weder den Brahmanen noch einer anderen
Lebensordnung. In keines Auges Sichtkreis trittst du ein,
ohne Berührung bist du, ohne Form, - allem Zeuge seiend,
sei glückselig!
Recht und Unrecht, Lust und Leid, alles was den Sinn
bewegt, rührt nur das Gemüt und niemals das wahre Selbst, o
Herr! Du bist nicht der Handelnde und dir geschieht nichts
- erlöst bist du in Ewigkeit.
Einsam Schauender (Zeuge) des Alls bist du, wesenhaft
erlöst in Ewigkeit. Denn das Ich ist deine wahre Fessel,
die Überzeugung der Handelnde zu sein. Als Zeugen siehst du
einen anderen.
„Ich
handle“ – dieser Wahn vergiftet dich, wie
großer schwarzer Schlange Biss. Trink den Nektar der
Wahrheit mit dem Namen: „Ich bin nicht der
Handelnde“ – trink diesen Trank der
Unsterblichkeit und sei selig.
Brenne nieder
diesen Wald der Ignoranz, mit dem Feuer der Erkenntnis,
dass du reines Bewusstsein bist, Alleinsamer, zur Wahrheit
rein Erwachender und sei glücklich und frei vom Leid.
Du, der trugvoll
umgewandelt scheint zum All, wie ein Strick Schlange zu
sein scheint, höchstes Glück aller Glückseligkeit,
Erwachender zur Wahrheit, das bist du, wandle selig nun
dahin!
In Banden ist,
wer sich gebunden meint, wer sich erlöst meint ist erlöst.
Was sagen sie, wenn das so ist, „Wie die Neigung, so
des Schicksals Richtung?“
Das Selbst ist Zeuge, ewig, allausfüllend und allein,
frei-, geist- und tatenlos, berührungslos, verlangenslos,
friedvoll allem Wirbel entrückt, nur gleichsam dem
ziellosen Lebensstrome preisgegeben.
Betrachte dein
Selbst: Reglos auf höchstem Gipfel steht es, zur Wahrheit
erwacht. Nichts Zweites neben ihm. “Ich ist
Schein“ – so löse dich aus dem Wirbel, dem
äußeren und dem inneren.
Lange bist du
gebunden, Kind, mit der Schlange: Dem Wahn des Leibes. Mit
dem Schwert der Erkenntnis: „Erwachter zur Wahrheit
bin ich“. Zerschneide sie und sei beseligt.
Berührungslos,
tatenlos bist du, Licht das sich selbst erhellt, aller
Trübung bar. Deine Bindung bleibt bestehen, wo deine Demut
halt macht.
Von dir ist
alles dies erfüllt, in dich ist es in Wahrheit eingesenkt.
Reine Erleuchtung ist dein Wesen, versinke nicht in
kleinlichem Denken.
Furcht- und
hoffnungslos, wandellos, lastlos, das Herz voll Kühlung,
unergründigen Geistes. Sei unbewegt: Gefäß von Geist
allein.
Formhaft, wisse,
ist der Trug, formfrei aber das Gewisse. Nicht entstehen
neue Leben, wem diese Wahrheit gewiesen wird.
Wie bei einer
Gestalt im Spiegel, in ihrem Inneren Spiegel ist und rings
um sie herum, So ist der höchste Gott in diesem deinem
Leibe und rings um ihn herum.
Einig und
allerwärts sich breitend ist Himmelsluft – im Inneren
eines Gefäßes wie außen umher: So ist das ewige Brahman
ohne Riss mit sich eins in aller Wesen Schar.
Dialog zwischen König Janaka und dem Weisen
Yaajnavalkya:
„Yaajnavalkya,
was dient dem Menschen als Licht?“
„Das Sonnenlicht, o Herrscher“ sagte der Weise.
„Wenn die Sonne aber untergeht, Yaajnavalkya. Was
dient dem Menschen dann als Licht?“
„Das Mondlicht, o Herrscher“.
„Wenn aber beide, die Sonne und der Mond,
untergegangen sind. Was dient dem Menschen dann als
Licht?“
„Der Schein des Feuers“.
„Wenn Sonne und Mond untergegangen und das Feuer
ausgegangen sind, Yaajnavalkya. Was dient dem Menschen dann
als Licht?“
„Die Stimme (Klang) dient ihm als Licht“.
„Wenn die Sonne und der Mond untergegangen sind, das
Feuer ausgegangen ist und der Klang verstummt ist. Was
dient dem Menschen dann als Licht?“
„Das Selbst dient ihm als Licht“ sprach
Yaajnavalkya.
Dies ist der Punkt wo die wahre Suche beginnt.
Der Pfad der Hingabe beginnt im Vertrauen in die
universelle Macht (Gott). Man fühlt sich von Gott getrennt
und sehnt sich nach der Einswerdung mit Ihm. Die
Nachforschung führt zum Göttlichen, dem wahren Selbst,
welches in jedem Menschen darauf wartet entdeckt zu
werden.
Siegi
H.