Zarathustra
Um den
Religionstifter, den die Griechen Zoroaster nannten, ranken
sich viele Geheimnisse. Es gibt keine Nachweise über den
Zeitraum oder den genauen Ort, in dem der Prophet wirkte.
Fast alle Gelehrten stimmen jedoch überein, dass
Zarathustra wahrscheinlich im östlichen Iran gelebt hat, da
die Sprache des heiligen Buches Awesta
vom Altpersischen
unterschieden werden kann, und eng mit dem Sanskrit
verwandt ist. Sie sind sich ebenfalls darüber einig, dass
Zarathustra vor der Zeit der Achämeniden gelebt haben muss
(705 – 675 v. Chr., die Achämeniden lösten die Meder
ab und gründeten das erste Perserreich), ob allerdings im
6., 8., 10. oder 15 Jahrhundert oder gar mehrere
Jahrtausende v. Chr. ist umstritten.
Das heilige Buch der Zoroastrier bestand ursprünglich aus
21 Büchern. Als Yasna bezeichnet man die überlieferten 72
Kapitel des Avesta (die heute noch bei den Parsen im
Gottesdienst verwendet werden), wobei sich 16 Kapitel, die
Gathas (Gesänge), direkt auf Zarathustra zurückverfolgen
lassen. Niederschriften des Avesta lassen sich ab 1278
nachweisen.
Die
Geburt Zarathustras
Da sich in
den Gathas (Hymnen) Zarathustras nur wenig biografisches
Material findet, stützt sich ein Großteil des Wissens über
das Leben des Propheten auf Legenden, welche von Generation
zu Generation weitergegeben wurden. Viele dieser
Geschichten und mythischen Legenden scheinen weit
hergeholt, dass sie kaum als historisch betrachtet werden
können.
Die Legende berichtet von einem Volksstamm namens Spitama
(übers.: „sehr weiß“), vermutlich Viehzüchter,
welcher vor langer Zeit in einem fernen Land am Ufer eines
Flusses lebte. Der Führer einer Seitenlinie dieses Stammes
hieß Hechadaspa (Hengst). Er hatte zwei Söhne namens
Pouruschaspa (viele Pferde) und Arasti (ordentlich und
adrett). Pouruschaspa heiratete ein junges Mädchen namens
Dughdova (Milchmädchen). Es wird erzählt, dass Dughdova,
als sie im fünften Monat schwanger war, einen
furchterregenden Traum hatte, in welchem sie sah, wie die
Welt zerstört wurde. Aber dann erschien ihr im Traum ein
Engel, der ihr prophezeite, dass sie einem großen Propheten
das Leben schenken werde, welcher die bevorstehende
Zerstörung abwenden könne.
Dughdova wurde ein gesunder Junge geboren (die Zoroastrer
feiern seinen Geburtstag am 26. März). Im Gegensatz zu den
meisten anderen Babys soll der Kleine bei der Geburt nicht
geschrieen haben. Vielmehr zierte ein strahlendes Lächeln
sein Antlitz, welches in göttlichem Strahlen leuchtete. Die
Eltern gaben dem Kleinen den Namen Zarathustra (manche
übersetzen das Wort mit „goldenes Licht“ oder
„goldener Stern“, andere wiederum mit
„Besitzer von gelben Kamelen“). Dem zweiten
Sohn des Hechadaspa wurde ebenso ein Sohn namens
Maedyoimaha (Mittel-Mond) geboren.
Die Diskussion
Bald zeigte sich,
dass der kleine Zarathustra ein besonders intelligenter und
energiegeladener Junge war. Er war mit außergewöhnlicher
Aufmerksamkeit und einem scharfen Verstand gesegnet, hatte
die Fähigkeit durch die Oberfläche der Dinge zu sehen und
die dahinter verborgene Bedeutung zu verstehen. Aufgrund
seines Wissensdurstes und seiner natürlichen Neugier hatte
er meist jede Menge Fragen, mit welchen er die Priester und
Lehrer der damaligen Zeit bedrängte. Leider konnten ihn
diese nur selten mit ihren Antworten zufrieden stellen. Als
er neun Jahre alt war, arrangierten einige Freunde ein
Treffen mit dem obersten Priester in der Stadt, wobei die
Fragen Zarathustras erörtert werden sollten.
Die Legende erzählt, dass der Oberpriester gemeinsam mit
Zarathustra dessen Fragen diskutierte, ihn jedoch mit
seinen Antworten nicht zufrieden stellen konnte. Einige der
Fragen des Jungen hatten den Oberpriester aufgewühlt und so
verließ er den Ort des Treffens nach einigen Stunden tief
in Gedanken versunken. Manche Legenden berichten, dass er
am Nachhauseweg an einem Herzinfarkt verschied, obwohl er
noch bei guter Gesundheit war, als er ging. Andere
Geschichten berichten, dass sich Zarathustra gegen alle
möglichen magischen Kräfte zu wehren hatte und wie er dies
anstellte.
Jugendjahre
In
seiner Jugend verbrachte Zarathustra viel Zeit auf den
Weideflächen in der Umgebung seines Heimatortes. Oft geriet
er bei der Betrachtung der Natur in eine meditative
Stimmung, in welcher sich ihm auf verschiedene Weise viele
Antworten offenbarten, die ihm der Oberpriester zuvor nicht
beantworten konnte.
Eine Geschichte erzählt, dass eines Tages seine vier Brüder
zu ihm kamen, um den Besitz des verstorbenen Vaters unter
sich aufzuteilen, als Zarathustra fünfzehn Jahre alt war.
Zarathustra soll den gesamten Besitz seinen Brüdern
überlassen und für sich selbst nur einen einzigen
Gegenstand beansprucht haben, welcher das spirituelle Leben
symbolisiert. Als er zwanzig Jahre alt war, begab er sich
auf Wanderschaft und verließ seine Heimat, um die Wahrheit
zu suchen. Er verbrachte Jahre meditierend in der Wildnis,
bevor er nach zehn Jahren seine erste Vision hatte, in
welcher ihm ein Engel namens Vohu Manah erschien und er mit
Hilfe himmlischer Wesen (Amesha Spentas) in himmlische
Gefilde emporgehoben wurde. So erlangte er vollkommenes
Wissen über die Vergangenheit, die Zukunft und die
Gegenwart. In einer anderen Geschichte wird erzählt, dass
er vor seinem Erleuchtungserlebnis eine Frau namens Hvovi
geheiratet haben soll. Genaueres ist jedoch nicht bekannt.
Ob all das wirklich passierte, ist eine Sache des Glaubens
und nicht der Wissenschaft. Seine ihrer Tradition treu
gebliebenen Anhänger akzeptieren diese Geschichten
jedenfalls als die Wahrheit. Im Gegensatz zum Koran des
Mohammed werden die „Gathas“ (Gesänge)
Zarathustras nicht auf Offenbarungen, welche von einem
göttlichen Wesen diktiert werden, zurückgeführt. Vielmehr
betrachtet man sie als inspirierte Komposition eines
Dichterpropheten. Das Leben Zarathustras ist den
Zoroastrern aller Richtungen, Traditionalisten wie Moderne,
gleichermaßen Vorbild für Innovation, liebender Beziehung
zu Gott und spirituellen Mut.
Erleuchtung
Als Zarathustra
dreißig Jahre alt war, wollte er eines frühen Morgens
Wasser vom Fluss holen. Es dämmerte bereits und die
Verfärbung am Horizont kündigte das baldige Aufsteigen der
Sonne an. Als Zarathustra ein Stück in den Fluss gewatet
war, erschien ihm plötzlich Vohu Mana (der Engel vom Geist
Gottes) und öffnete das Tor zum göttlichen Licht des Ahura
Mazda. Es war Zarathustras erstes Erleuchtungserlebnis,
seine erste Offenbarung. Zarathustra selbst spielte in den
Gathas nur behutsam, aber mehrmals auf dieses sein
Berufungserlebnis, sein „Traumgesicht“ an.
In seiner Vision erkannte Zarathustra die
Schöpfungsgeschichte und Ahura Mazda als den weisen Herren
der Schöpfung: Der von Ahura
Mazdā
durch den
langherrschenden Windhauch geschaffene Himmel hat die
Gestalt eines Eies. Das Leben entstand danach in der
Reihenfolge: Wasser, Erde, Pflanzen, Tiere und dann der
Mensch. Ahura Mazda und seinen
sechs Aspekte
agieren als Wächter und Handwerker der
physischen Welt. Zusammen mit Ahura Mazda, der mit seinem
Geist „Spenta Mainyu“ gleichgesetzt wird,
tragen sie sieben bedeutungsvolle Namen: Spenta Mainyu
(Heiliger Geist), Vohu Manah (Guter Sinn), Sraosha
(Gehorsam), Chshathra (das Reich), Armati (Andacht) und
Ashi (Vergeltung), Haurvatat und Amertat zusammen stehen
für „Heiligkeit und Unsterblichkeit“. Gegen
diese guten Geister stehen die bösen Geister, angeführt von
Angra Mainyu (Arger Geist) mit seinen bösen Anhängern.
Zarathustra offenbarten sich die Gesetze des Universums und
die Beziehung zwischen Ahura Mazda, den Amesha Spentas und
der Schöpfung.
Das
Verbreiten der Lehre
Zarathustra war
vielleicht der erste Prophet, welcher eine monotheistische
Religion verkündete. Er offenbarte, dass es nur einen Gott
namens Ahura Mazda, „Allweiser Herr“ gäbe und
lehrte, dass der Mensch im diesseitigen Leben die Wahl
zwischen Gut und Böse habe. Damit Gutes existieren kann,
braucht es das Böse und umgekehrt. Inmitten dieses
Zusammenspiels ist es jedem Menschen frei überlassen, sich
für das Gute zu entscheiden und somit den Kampf Ahura
Mazdas gegen das Böse zu unterstützen bzw. zur
Verwirklichung des Planes Gottes beizutragen. Wichtig ist
hierbei, dass der Zarathustrismus bzw. Ahura Mazda den
Menschen zu nichts zwingt – der Mensch wird als
vernünftiges Wesen frei geboren und kann allein durch freie
Entscheidung und persönliche Einsicht zu Gott gelangen.
Nach seiner Erleuchtung wollte Zarathustra sein Wissen der
Welt mitteilen, nur wusste er vorerst nicht, wo er damit
anfangen sollte. So entschied er sich schließlich mit
seiner Familie und seinen Verwandten zu beginnen und teilte
ihnen seine Lehre mit. Sein Cousin Maedyoimaha und seine
Gemahlin Hvovi wurden seine ersten Anhänger. Daraufhin
entschlossen sich auch seine Kinder, eines nach dem anderen
die Philosophie des Vaters als ihren Lebensweg anzunehmen.
Eine andere Geschichte berichtet, dass es nach der ersten
Lehrrede noch zehn Jahre dauerte, bis sich Maedyoimaha
Zarathustra anschloss und sein erster Anhänger wurde.
Elemente
der Lehre: Der Spirit
Mit Spirit
bezeichnet man das höchste göttliche Prinzip, welches im
Herzen jedes Menschen residiert. Wie der Spirit selbst ist
auch seine Reflexion, die individuelle Seele unsterblich
und nicht der Welt der Materie zuzurechnen. Die Zoroastrer
bezeichnen das Höchste Absolute mit dem Namen Ahura Mazda
und seine Aspekte, welche in jeder materiellen
Manifestation präsent sind, Fravashis und Yazatas. Mit
Spiritualität wird die Erfahrung der direkten Kommunion
zwischen dem ‚Spirit’ und der individuellen
Seele bezeichnet. Jeder der spirituelle Erfahrungen machen
durfte, weiß, dass diese viel tiefer als physische
Erfahrungen sind und man sie nicht mit gewöhnlichen Worten
beschreiben kann.
Verschiedene Propheten unterrichteten ihre Anhänger in
unterschiedliche spirituelle Disziplinen, um sie zu
spirituellen Erlebnissen zu führen. Zarathustra gab seinen
Schülern das heilige ‚Manthra Spenta’. Man
vermutet, dass diese mathrischen Sprüche in der
altertümlichen Avestan-Sprache mehr als nur heilige Wörter
und wirksame Klänge sind. Sie verkörpern kosmische Energie,
welche in Ahura Mazda ihren Ursprung hat. Er ist die Quelle
sowohl des unendlichen Lichtes
(‚Reavat-Khvarnvat’) als auch des Urklanges
(‚Staot Yasna’). Beide entstanden zu Beginn der
Schöpfung und schufen das Raum-Zeit Kontinuum.
Die Vibrationen des Urlautes schwingen jedoch über das
Raum-Zeit Kontinuum hinaus um in der spirituellen Welt des
Lichtes ihre Resonanz zu finden. Die Verbindung zwischen
dem Höchsten Absoluten, dessen Natur spirituelles Licht
ist, und der individuellen Seele wird am besten durch die
Vibrationen des Urklanges erreicht. Diese Vibrationen sind
sozusagen die Sprache des Lichts. Mantras, Gebete oder
Hymnen zur Verehrung des Göttlichen reinigen die
individuelle Seele und bringen sie in Einklang mit höherem
spirituellem Bewusstsein, um so als Ziel des spirituellen
Weges die Vereinigung mit dem Göttlichen (in der Sprache
der Zoroastrer ‚Yasna’) zu erreichen. Licht und
Klang sind beide bestimmte Formen von Energie, wobei die
Vibrationen der heiligen Klänge von den Wellen des
göttlichen Lichtes absorbiert werden.
Das Feuer
Zarathustra sah das
Feuer als Symbol für das Licht des Spirit. In den Gathas
berichtet er unter anderem wie er die Verbindung mit dem
Göttlichen durch das Feuer sucht. Feuer verwandelt Materie
in (Wärme-) Energie, ist Symbol für den Weg von der Materie
zum Geist. Es ist der Ursprung aller Schöpfung und kein
Ritual in der zoroastrischen Religion ist ohne das Feuer
vollständig. In ihren Heimen achten die Anhänger
Zarathustras daher besonders darauf, dass
‚Divo’, die Feuerstelle, nicht verlöscht,
stimmen sich beim Gebet am Feuer auf das Höchste Absolute
ein und versuchen so mit Ahura Mazda, dem Herrn der
Weisheit, zu kommunizieren.
Das Feuer ist eine physische Manifestation des göttlichen
Lichtes, welches Raum und Zeit durchdringt. So glauben die
Zoroastrer, dass Ahura Mazda, der Spirit, in einer
spirituellen Welt residiert und seinen Sohn, das Feuer auf
die Erde gesendet hat, um die Schöpfung zu ihrem Ziel
(Frasho-Kereti = die Befreiung vom Bösen) zu
treiben.
Weitere Elemente der Lehre
Nach dem Tode gelangt die Seele
zur
Činvat-Brücke, welche ins
Paradies führt. Für den rechtschaffenen Menschen ist sie
breit und er gelangt mühelos in den Himmel. Für den anderen
jedoch ist sie schmal wie eine Messerschneide, sodass er in
die Hölle stürzt. Am Ende der Zeit
würde Ahura Mazda
über die Welt richten. Alle Menschen, Gute wie Böse müssen
in den Fluss aus Feuer. Aber während die Bösen meinen, sie
baden in einem Strom aus flüssig-glühendem Metall, ist es
für die Guten, wie wenn sie durch warme Milch gehen würden.
So wird das Böse besiegt und die Welt durch das Feuer
gereinigt und nach dieser Reinigung gelangen alle in das
Reich Ahura Mazdas. Nachdem das Böse vernichtet ist,
entsteht das Königreich Gottes neu auf Erden und Ahura
Mazda herrscht bis in alle Ewigkeit über selige Wesen, die
wieder im Zustand der paradiesischen Unschuld leben.
Neben den Mantras, Gebeten und Ritualen wurden von
Zarathustra außerdem Reinheitsvorschriften hinterlassen,
welche dazu dienen, das spirituelle Erbe zu bewahren. Zu
einer Zeit, in der grausame Tieropfer üblich waren, trat
Zarathustra aus Fürsorge und zum Schutz der Kreatur für
unblutige Opferspenden ein und gilt dadurch auch als
Beschützer der Tiere.
Herausforderungen
In der Folge wollte
Zarathustra seine Erkenntnisse unter seinen Mitbürgern
verbreiten und begann in den Straßen der Stadt zu predigen.
Die neue Lehre stand im Gegensatz zur Lehre der etablierten
Priesterschaft, welche ihr gesamtes Leben und ihre Existenz
auf den alten Religionen aufgebaut hatte, und rief deren
Widerstand hervor. Zarathustra versuchte verschieden Wege,
traf aber jedes Mal auf Opposition und noch größerem
Widerstand. So gelang es ihm innerhalb von zwölf Jahren nur
22 Leute für seinen Weg gewinnen, seinen Cousin, seine Frau
und seine Kinder miteingeschlossen.
Enttäuscht über den geringen Erfolg und die Opposition
durch Regenten und Priester in seinem eigenen Land,
entschied sich Zarathustra schließlich, seine Heimat zu
verlassen. In jedem Land und jeder Stadt, durch die er mit
seinen Schülern zog, versuchte er den Menschen seine
Philosophie zu vermitteln. Überall traf er jedoch auf den
vorhersehbaren Widerstand durch Angriffen der herrschenden
Priesterschaft und Regenten und in der Ignoranz der
Menschen und ihrem Widerwillen dagegen, sich ändern zu
wollen.
In einem der Gesänge der Gathas heisst es: „In
welches Land soll ich ziehen? Wohin soll ich mich wenden?
Sie lassen mich nicht zu meinem Volk und zu meinen
Freunden. Weder mein Stamm stellt mich zufrieden, noch die
falschen Regenten dieses Landes (….). Ich weiß
(….), dass ich machtlos bin. Das einzige, was ich
besitze ist etwas Vieh und ein paar Menschen die mir
folgen.“
Der
Durchbruch – König Vishtaspa
Zarathustra war
zweiundvierzig Jahre alt, als er mit seinen Anhängern das
Land des Königs Vishtaspa erreichte. Sollte es auf der
gesamten Welt jemand geben, der für neue Lehren offen ist,
dann König Vishtaspa, so hatte man ihm erzählt. Der weise
König sicherte Zarathustra eine Audienz zu, lud aber
gleichzeitig auch alle Priester und Weisen seines Reiches
ein, dem Empfang beizuwohnen und Zarathustra Fragen zu
stellen.
Redegewandt wie er war, wirkte Zarathustra in allen an ihn
gestellten Fragen und Herausforderungen überzeugend. Der
König erkannte die Weisheit des Propheten und nahm seine
Lehre begeistert an. Damit nicht genug, empfahl er auch
seinen Untertanen sich für die neue Religion zu entscheiden
und lud sie ein, der Lehre Zarathustras aufmerksam zu
lauschen. Das bedeutete für Zarathustra den Durchbruch.
Damit war die Geschichte jedoch noch nicht zu Ende. Die um
ihren Einfluss fürchtenden Priester versteckten Dinge, wie
sie zu schwarzmagischen Ritualen verwendet werden in den
privaten Räumlichkeiten Zarathustras, beschuldigten ihn
beim König der Zauberei und forderten diesen auf, die
Unterkunft Zarathustras durchsuchen zu lassen. Tatsächlich
wurde Zarathustra daraufhin in den Kerker geworfen, wo er
weder zu essen noch zu trinken bekam.
Dennoch nahm die Angelegenheit eine positive Wendung. Die
Legende erzählt, dass das Lieblingspferd des Königs von
einer unheilbaren Krankheit entstellt wurde und keiner der
Ärzte im Reich wusste, wie es zu heilen wäre. Als der
inhaftierte Zarathustra davon hörte, bot er dem König seine
Dienste an. Widerwillig stimmte Vishtaspa dem Angebot zu
und Zarathustra durfte seine Heilungstechniken versuchen,
um das Lieblingspferd des Herrschers zu heilen. Das
Unternehmen gelang und Vishtaspa erkannte sein Fehlurteil.
Zarathustra erlangte sein Ansehen wieder zurück und die
Priester, welche die Verschwörung angezettelt hatten,
wurden bestraft. Der Herrscher begann nach diesem Vorfall
die neue Religion intensiv zu fördern.
Auch wenn diese Geschichte schwer zu glauben ist, wissen
wir doch, dass Vishtaspa die Religion Zarathustras annahm
und dies den Wendepunkt in der Ausbreitung der
zoroastrischen Religion darstellte. Von diesem Zeitpunkt an
war Zarathustra die Unterstützung und Rückendeckung durch
einen mächtigen und weisen Königs sicher, und er konnte
seine Lehre ohne Schwierigkeiten überall im Lande predigen.
Sehr bald überschritt die Botschaft Zarathustras die
Grenzen des Landes.
Zwei der ersten, welche nach König Vishtaspa die neue Lehre
annahmen, waren die Brüder Frashaoshtra und Jamaspa, aus
der Hvogva Familie. Beide werden in den Gathas erwähnt und
gehörten bis zu ihrem Ende zu den Schülern Zarathustras.
Zarathustras Persönlichkeit
Es
gibt nur sehr wenig Zeugnisse über das Leben Zarathustras.
Aus den Schriften lässt sich jedoch schließen, dass
Zarathustra ein natürliches Charisma hatte und
außergewöhnlich weise und rechtschaffen war. Er war ein
‚Ahsu’ – einer der das Selbst in sich
verwirklicht und damit den Höhepunkt in der Evolution des
Bewusstseins erlangt hatte. Der Meister war liebevoll und
gütig und dennoch energisch und eifrig, was die Befolgung
der Wahrheit und Gerechtigkeit anlangte. Weise wie er war,
besaß er eine besonders klare Aufmerksamkeit und einen
scharfen Verstand. Weiters zeichnete er sich durch ein
klares Verständnis für die physikalischen Gesetze und
moralischen Prinzipien dieser Welt aus und hielt mit schier
übermenschlicher Kraft an der Rechtschaffenheit fest.
Zarathustra soll drei Jungen und drei Mädchen gehabt haben.
Es muss sich dabei nicht um eine exakte Information
handeln, da sich die Zahl mit den sechs Amesha Spentas
(übers.: „Heilige Unsterbliche“) deckt und
daher möglicherweise nur symbolisch gemeint ist. Im letzten
Gesang (Gatha) wird jedoch von der Hochzeit einer Tochter
des Zarathustra namens Pouruchista (Voll Weisheit) mit dem
Ministerpräsidenten des Reiches berichtet, somit dürfte der
Prophet zumindest ein Kind gehabt haben.
Es wird angenommen,
dass die heiligen Gesänge Zarathustras am Hof des Königs
Vishtaspa entstanden, da dessen Name in der Komposition als
Anrede verwendet wird. Wahrscheinlich hat der Prophet die
letzten drei Jahrzehnte vor seinem Tode im Alter von 77
Jahren am Hof Vishtaspas gelebt. Immer wieder wird auch um
die Frage gestritten, ob Zarathustra ein Priester war oder
nicht. Er wurde in eine Gesellschaft geboren, in welcher
die polytheistischen Riten der alten Indo-Persischen
Religionen gepflogen wurden. Im späteren Avesta, der
religiösen Schrift der Zoroastrer, wird Zarathustra im
Zwiegespräch mit Ahura Mazda dargestellt; er wird in
religiösen als auch in Gesetzestexten genannt, und große
Teile von Ritualen und der zoroastrischen Lehre werden auf
Zarathustra zurückgeführt, ob er nun der Urheber war oder
nicht.
In der späteren zoroastrischen Tradition wurden dem Leben
des Propheten zunehmend Wundern und göttliche Eingriffe
zugeschrieben, die in den alten Schriften nirgends
aufgezeichnet waren. Die Erzählung, dass der neugeborene
Zarathustra bei seiner Geburt gelacht haben soll, anstatt
zu schreien, gehört ebenfalls zu diesen Legenden. Er soll
sogar so gestrahlt haben, dass die Dorfbewohner Angst
bekamen und ihn töten wollten. Aber alle Versuche schlugen
fehl. Feuer konnte dem Baby ebenso wenig anhaben wie in
Panik versetzte Tiere. Eine andere Geschichte erzählt, dass
er in der Wildnis von einer Wolfsmutter umsorgt wurde.
Zarathustras Ende
Es gibt
viele Legenden die vom Tod Zarathustras berichten. Viele
Berichte erzählen von einem Märtyrertod, inklusive des
Eingriffes übernatürlicher Kräfte, welche die Mörder
Zarathustras schließlich töteten. Eine weitere Version
berichtet vom Aufstieg Zarathustras in den Himmel (ähnlich
der Auferstehung Jesus).
Eine andere Geschichte erzählt, dass Zarathustra in seinem
siebenundsiebzigsten Lebensjahr eines Abends von seiner
Familie Abschied nahm und sich nach dem Abendgebet in sein
Bett zurückzog, wo er ruhig und still im Schlaf verschied.
Am nächsten Morgen sollen die Familienmitglieder bemerkt
haben, dass er noch nicht erwacht war und fanden den Toten
friedlich im Bette ruhen.
Verbindungen zur modernen Welt
Um die Gestalt des Zarathustra
ranken sich viele Legenden. Bei den Griechen galt er als
Brunnen der Weisheit, so bei Platon, aber auch als Lehrer
des Pythagoras. All diese Prädikate beweisen nur, dass
Zarathustra eine ungewöhnliche Persönlichkeit gewesen ist,
die der Geschichte bis zur Gegenwart ihren Stempel
aufgedrückt hat.
Im Heldenepos Shahnameh wird von einer Zeder erzählt,
welche Zarathustra bei einem Besuch in Kashmir gepflanzt
haben soll. Dieser Baum wurde als Sarv-e Kashmar berühmt,
und soll tausend Jahre alt geworden sein, bis ihn der Kalif
Al-Mutawaqqil im Jahre 861 fällen ließ.
Die Avesta erreichte im 18. Jahrhundert den Westen und
wurde für seine humanistische, monotheistische und
moralische Philosophie, welche in den Gathas verkündet
wird, bekannt. Große Philosophen wie Kant und Diderot
nahmen sie zum Vorbild. Voltaire schrieb ein Stück namens
„Zoroastra“, in welchem ein Philosoph, ein
‚Heide’ des Altertums, Monotheismus und höchste
Moralvorstellungen lehrt, ohne etwas mit den christlichen
Kirchen zu tun zu haben. Der französische Komponist Rameau
schrieb eine Oper namens „Zoroastra“.
Der freiheitlich denkende Mozart gab dem in der Oper
„Die Zauberflöte“ auftretenden Priester der
Sonne und des Lichts, welcher die Göttin der Nacht besiegt,
den Namen „Sarastro“.
Im zwanzigsten Jahrhundert wurde Friedrich Nietzsche durch
das Vorbild Zarathustras inspiriert und legte seine eigene
Philosophie in seinem Werk ‚Also sprach
Zarathustra’ dar. Allerdings wird in diesem Werk
nicht die zoroastrische Philosophie gelehrt. Der deutsche
Komponist Richard Strauß wurde durch das Werk Nietzsches
inspiriert und komponierte eine gleichnamige Symphonie.
Übersetzung und
Bearbeitung S.H. und S.J.