Dharma
Dharma ist eine fernöstliche
Bezeichnung deren westliche Äquivalente
Sittlichkeitsgefühl, Ethik, Tugend, Rechtschaffenheit und
Reinheit umfassen. Leider klingen die meisten dieser
Begriffe in unserer modernen Kultur ziemlich altmodisch.
Dennoch ist es das Dharma, wodurch der Sucher der Wahrheit
zur Erkenntnis finden kann.
Das Dharma bestimmt unseren zutreffenden Platz im
kosmischen Prozess: in der Zeit, im Platz, im Bewusstsein,
im Gedanken, in der Tat und im Wunsch. Die ewigen
Grundregeln des Dharma legen die harmonischen Funktionen
der kosmischen Maschine fest. Damit wir unsere Rolle im
göttlichen Spiel erfüllen, müssen wir uns innerhalb unseres
Dharmas bewegen. Das heißt, wir sollen die richtige Sache
zur richtigen Zeit, in der richtigen Weise und aus dem
richtigen Grund tun. Dadurch erreichen wir unser
Gleichgewicht. Diese Balance in uns selbst herzustellen,
sichert unser eigenes Wohl und das Wohlergehen der
Gesellschaft. Es öffnet den Pfad, der für uns durch das
Göttliche vorbereitet wurde.
In Indien glaubt man, dass die Gottheit Shri Vishnu neun
mal auf dieser Erde inkarnierte, um die Rechtschaffenen
(d.h. die, die innerhalb des Dharma leben) gegen die
dämonischen Kräfte zu verteidigen. Als Prinz Shri Rama (ca.
6000 v.Chr.) rettete Lord Vishnu die Göttin Shri Sita von
den unmoralischen Absichten Ravanas. Ravana war ein
gewalttätiger, materialistischer und egoistischer Eroberer,
der den Willen des Himmels verachtete. Der reine und
unschuldige Rama kämpfte eine mächtige Schlacht gegen den
Dämonenführer und seine Armee der Dunkelheit und besiegte
ihn schließlich mit einem einzelnen silbernen Pfeil. Die
Legende von Rama, welche im Ramayana niedergeschrieben
wurde, lehrt, dass eine Person, die das Dharma verteidigt,
dazu bestimmt ist das Böse und die Unwissenheit zu
besiegen. Grundlegend zur Verteidigung des Dharma ist die
Heiligkeit der Frau, in diesem Fall Sita, die eine Göttin
ist - die Inkarnation der göttlichen Weiblichkeit. Shri
Krishna (ca. 4000 v.Chr.) inkarnierte auch, um die Dämonen
zu zerstören, die dem Dharma entgegentraten. Seine
Geschichte ist in dem Epos der Mahabarata
niedergeschrieben. Diese Legenden veranschaulichen die
Wichtigkeit des Dharma.
Als Moses die 10 Gebote vom Berg Sinai herabbrachte, lehrte
er die Israeliten dass Dharma, das göttliche Gesetz, durch
das sie, sich von ihren ägyptischen Sklavenmeistern
befreien konnten und das versprochene Land (ihre geistige
Befreiung) erreichen konnten.
Mohammed musste einen blutigen und schrecklichen Krieg
führen, um das Dharma, das Gesetz des Islams vor den
kindermordenden und frauenfeindlichen Götzendienern zu
verteidigen, dennoch beschrieb er diesen physischen Krieg
als den „kleineren Jihad“. Der „größere
Jihad“ ist der unendlich schwierigere Krieg, den die
Sucher in sich um moralische Reinigung führen, um den Sieg
über das Ego und den Sieg über unreine Wünsche, Bindungen
und Konditionierung zu erlangen.
Christus lehrte, dass das die Kraft des Verzeihen uns von
unserem unbedeutenden Ego befreit und auch von den
Begleitern des Ego Stolz, Rache, Aggression und Ärger,
damit wir auf dem Pfad des Dharma bleiben können. Denn
wahrhaftiges Dharma ist Reinheit des Herzens und des
Verstandes.
Warum also fehlt Dharma im westlichen Bewusstsein? Eine
Ursache liegt in der allgemein gültigen christlichen
Glaubenslehre. Wenn die gnostischen und mystischen
christlichen Sekten und ihre Schriften wie die Bibliothek
von Nag Hammadi und die Schriftrollen vom Toten Meer
betrachtet, sieht man, dass Christus die damlas weit
verbreiteten Vorstellungen von Karma, Wiedergeburt,
Selbstverwirklichung und vom göttlichen Weiblichen (dem
Heiligen Geist, der Mutter Maria) durchaus bestätigte.
Die Kirche verleugnete die Existenz von Reinkarnation und
Karma. Dadurch verringerte sich das Gefühl der direkten
Verantwortlichkeit für das eigene Leben, persönliche
Umstände und unsere Spiritualität. Es machte uns blind für
die Idee, dass geistige Entwicklung durch Befolgung des
Dharma über viele Leben hinweg möglich ist. Durch die
Verleugnung der Reinkarnation wurden unverantwortliche und
adharmische Handlungen gefördert, da alle falschen und
unmoralischen Handlungen durch Konvertierung und Beichte in
letzter Minute gebüßt werden können.
Institutionalisierte Religionen und falschen Theologien
sind jedoch nicht die einzigen Ursachen für das fehlen von
Dharma. Irrationaler Glauben wurde durch eine neue
Religion, die der Wissenschaft, verdrängt. Mit seinem
beschränkten Glauben an „Rationalität“ fährt
sie fort, das Dharma zu untergraben. Als Newton erklärte,
dass das Universum nur ein riesiges Stück Uhrwerk ist, und
als Descartes „bewies“, dass das menschliche
Wesen nichts als eine komplizierte Maschine ist, fing das
Zeitalter der Vernunft an.
Die Überlieferungen der spirituellen Erfahrung und des
Göttlichen Willens jenseits des Intellekts wurden zugunsten
der Vernunft und der Logik verworfen. Die industrielle
Revolution lehrte den Menschen, dass Wissenschaft und
Technologie die Natur beherrschen können. Metaphysik wurde
als unlogisch diskreditiert. Religion, Mythologie und viele
andere Aspekte des universellen Dharma wurden als
Kompensationsmechanismen wegdiskutiert, entworfen, um
psychologische Homöostasie (den Zustand des Gleichgewichts)
in einer „feindlichen Umgebung“ aufrecht zu
erhalten. Wissenschaft und die Religion der Vernunft wurden
die überragende kulturelle formende Kraft. Die
Wissenschaftler sagte: Gott existiert nicht, aber genauso
wenig die Kategorien von Gut und Böse, Richtig und Falsch.
Moralischer Instinkt, Klugheit und Bewusstsein (=Dharma)
wurden, weil unlogisch diskreditiert. Der spirituelle
Klebestoff, der eine Zivilisation auf einem dharmischen
Pfad zusammenhält, wurde wissenschaftlich gelöscht und
durch das materialistische Ethos des „technologischen
Fortschritts“, der „Konsumgesellschaft“
und der „Toleranz“ ersetzt.
Jedoch lediglich die Wissenschaft oder die toten Religionen
zu beschuldigen wäre zu einfach, auch wenn sie Kräfte
darstellen, die innerhalb von uns wirken. Könnten
Wissenschaft und Vernunft Symptome unseres eigenen
Intellekts sein, der sich ohne Verhältnis zum Ganzen
entwickelt hat? So sehr, dass er unser Bewusstsein
beherrscht und uns zu überzeugen sucht, das angeborene
Dharma in uns zu vergessen? Unser Intellekt klammert sich
an das, was er versteht, anstatt sich auf die mühevolle
Reise der Selbsterkenntnis zu machen.
Wahre Spiritualität kann jedoch die Wissenschaft
erleuchten, damit sie dient, anstatt zu versklaven. Sie
kann den Geist der universellen Religion auferstehen
lassen, der in uns allen existiert. Zur kollektiven Wahrung
unserer Zivilisation ist es nötig, die Essenz des Dharma in
uns zu erwecken. Es bedarf der inneren Transformation jedes
Einzelnen, weg von der Ignoranz des Materialismus und
Individualismus und hin zur Erkenntnis des kollektiven
spirituellen Bewusstseins. Alle jene, die die Wahrheit mit
der Tiefe ihres Herzen suchen, werden sie durch die Kraft
ihres reinen Wunsches spontan und still in sich erweckt
erhalten.
adaptiert nach Ramesh Manocha, What is Dharma?
Knowledge of Reality
Issue 4