Shri Ganesha
Shri Ganesha ist
auf Darstellungen leicht wieder zuerkennen. Ein
Elefantenkopf mit einem anmutig geschlungenen Rüssel über
einem großzügig gewölbtem Bauch und vier Armen, welche die
ihn kennzeichnenden Attribute halten. Seine korpulente
Figur wird von einer winzigen Maus, welche er in seiner
Bescheidenheit als sein Gefährt ausgewählt hatte, getragen.
Shri Ganesha vereinigt in sich die Kraft und Weisheit eines
Elefanten und die Unschuld eines Kindes.
Legenden über die Geburt und die Heldentaten dieser Deität
gibt es deren viele; verschiedene Puranas stellen
unterschiedliche Versionen der gleichen Ereignisse dar. Die
folgende Geschichte basiert auf der Shiva Purana. In den
göttlichen Gefilden um die Höhen des Berges Kailash, dem
Reich Shri Shivas und Parvatis, kam es zu einer
Meinungsverschiedenheit. Shri Shiva betrat die Gemächer
Shri Parvatis unangemeldet und verärgerte so seine Gattin,
welche sich in ihrer Privatsphäre gestört fühlte. Aus
dieser göttlichen Meinungsverschiedenheit heraus, wurde
Shri Ganesha geboren und es gelang dieser Deität zur
vermutlich beliebtesten Gottheit im hinduistischen Pantheon
aufzusteigen. Kein traditioneller Hindu würde eine
Unternehmung beginnen, ohne Shri Ganesha anzurufen, welcher
für ihn
Vighnanasha, der oberste
Beseitiger aller Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg
ist.
Shri
Ganesha in den Puranas
Eines Tages
postierte Shri Parvati einen ihrer Diener vor den Toren des
Palastes und gab ihm den Auftrag niemanden einzulassen, da
Sie ihr Bad nehmen und nicht gestört werden wollte. Nandi,
ein stierköpfiger Gana (untergeordnete Gottheiten im Kreise
um Shri Shiva) sah sich in der Klemme, als kurz darauf Shri
Shiva, der Gatte seiner Herrin kam und den Palast betreten
wollte. Und so wagte es Nandi nicht Shri Shiva davon
abzuhalten, seinen eigenen Palast zu betreten.
Als dieser sodann die inneren Räumlichkeiten des Palastes
betrat und dort seine Gattin antraf, fühlte sich die
göttliche Parvati in ihrer Keuschheit verletzt. Sie teilte
Shri Shiva mit, dass sie Nandi aufgetragen hatte, niemanden
in den Palast einzulassen und auch von ihm nicht beim Bade
gestört werden wolle. Den großen Shri Shiva erheiterten die
Worte seiner Ehefrau und lachend über ihre Vorhalte verließ
er sie wieder.
Aber in Parvati reifte der Wunsch nach einem Diener,
welcher nur ihr gehorchen solle und so setzte sie
schließlich ihren Wunsch in die Tat um, rieb Safranpaste
von ihrem Körper und formte daraus einen anmutigen Knaben.
Nachdem das Werk vollendet war, blickte Sie liebevoll und
voller Bewunderung auf ihre Schöpfung. Dann schmückte Sie
die Gestalt mit Ornamenten und segnete sie, wodurch der
Knabe ins Leben kam. Sie nahm ihn in ihre Arme und sprach:
„Du bist mein einziger Sohn und ich habe sonst
niemanden, den ich mein Eigen nennen könnte!“ Sofort
bat der Knabe seine Mutter darum, ihm ihre Befehle
mitzuteilen. Shri Parvati rüstete ihn mit einem Stock aus
und wies ihn an, vor den Toren des Palastes Wache zu halten
und ohne ihre Erlaubnis niemanden einzulassen.
Bald darauf kam wiederum Shri Shiva zum Palast und
erblickte den Knaben, welcher vor den Toren Wache hielt. Zu
seiner Überraschung verwehrte ihm dieser den Eintritt,
indem er sprach: „Halt! Niemand darf den Palast ohne
die Erlaubnis meiner Mutter betreten!“ Verblüfft
befahl Shri Shiva dem Jungen zur Seite zu treten und den
Weg frei zu geben. Ohne sich auf einen Wortwechsel
einzulassen, schlug der Knabe den mächtigen Shri Shiva mit
seinem Stock, was dessen Zorn entfachte. „Du Narr!
Ich bin Parvatis Gatte, wie kannst du es wagen mir den
Zutritt zu meinem eigenen Heim zu verwehren!“ Aber
der unerschrockene Knabe ließ sich nicht beirren und wieder
sauste der Stock auf den großen Gott nieder.
Eine Eskalation vermeidend zog Shri Shiva sich zurück, rief
seine Ganas zu sich und befahl ihnen herauszufinden, wer
dieser Knabe sei. So strömten sie vorwärts, die finsteren
Horden, und trafen vor dem Palast auf den Knaben mit dem
Stock. Als sich dieser der Übermacht mutig entgegenstellte,
hob großer Lärm an und Shri Parvati befahl einer Dienerin
Nachschau zu halten, woher das Lärmen komme. Im Knaben
stiegen Zweifel auf, ob er denn gegen den Herrn seiner
Mutter kämpfen solle und auch Shri Parvati zögerte, als ihr
gemeldet wurde, dass die Horden Shiva’s ihren Sohn
bedrohen. Aber dann fasste Sie sich und gab den Befehl
niemanden einzulassen, da Sie nicht einsehen wollte, dass
ihr Gatte sich den Zutritt mit Gewalt verschaffen wollte.
Als dem Knaben der Befehl seiner Mutter überbracht wurde,
erloschen seine Zweifel augenblicklich und er teilte den
Horden Shivas mit, dass er der Sohn Shri Parvatis sei und
deren Befehle ausführe. Dann wiederholte er nochmals, dass
auch Shri Shiva ohne die Erlaubnis seiner Mutter den Palast
nicht betreten dürfe. Die Herausforderung vernehmend,
begaben sich die Ganas nun zu ihrem Herren zurück, um
diesem zu melden.
Shri Shiva aber wollte sich dem Willen Parvatis nicht
unterordnen, da er um seine Autorität fürchtete. So wandte
er sich zu seinen Ganas und sprach: „Ich seid alle
mein Eigen, Shri Parvatis Sohn eingeschlossen. Eine
Schlacht gegen ihn mag vielleicht als nicht richtig
erscheinen, aber wenn wir die Herausforderung nicht
annehmen, könnte das missverstanden werden. Geht also,
kämpft und besiegt ihn! Es dürfte nicht zu schwer
sein.“
So begaben sich die Ganas zurück vor den Palast und
stellten sich in Schlachtordnung auf. Der Junge war
amüsiert, als er sie sah und sprach: „Ich bin ein
einfacher Knabe und führe nur die Befehle meiner Mutter
aus. Seid willkommen, die ihr die Führer von Shri Shivas
Armeen seid.“ Doch die Ganas gingen zum Angriff über.
Als erstes versuchte Nandi den Knaben zu überwältigen, doch
dieser schlug ihn mit seinem Stock nieder, und auch allen
anderen ging es nicht besser. Eine wütende Schlacht
entbrannte, doch niemand konnte den Sohn Parvatis besiegen
und es mit seiner Kraft und seinem Mut aufnehmen. Viele der
Kämpfer waren gefallen und schließlich flohen die
Übriggebliebenen vom Ort der Auseinandersetzung. Gehorsam
bezog der Knabe wieder seinen Posten vor den Toren des
Palastes.
Inzwischen war der himmlische Aufruhr auch Shri Brahma,
Vishnu und Indra zu Ohren gekommen. Nachdem ihnen der Weise
Seher Narada dazu geraten hatte, Lord Shiva aufzusuchen,
begaben sich die Götter in die eisigen Höhen des Himalaya,
zu dessen Aufenthaltsort. Tief verbeugten sie sich vor dem
mächtigen Gott und boten ihm ihre Dienste an. Shri Shiva
erläuterte den strahlenden Göttern die Situation und bat
Shri Brahma um seine Vermittlungskünste. So verkleidete
sich dieser als Brahmane und begab sich in Begleitung
weiser Seher auf seine Mission. Doch als er sich den Toren
des Palastes näherte, sprang der Jüngling vorwärts und
packte ihn am Bart. Erschrocken rief Shri Brahma:
„Ich bin nicht gekommen um zu kämpfen. Ich will den
Frieden bringen. Hör mir zu!“ Doch als Antwort
schwang der Knabe drohend seine Keule und vertrieb
augenblicklich die Vermittler.
Nachdem die Weisen Shri Shiva vom Misserfolg der Mission
berichtet hatten, sandte dieser nach seinem Sohn Karttikeya
und nach Indra, dem König der göttlichen Heerscharen (den
Devas) und befahl: „Was der Junge getan hat, geht zu
weit. Versammelt eure Ganas und Devas und führt sie in den
Kampf. Dieser unverschämte Emporkömmling muss besiegt
werden!“
Wieder hub großes Getöse an als die Ganas, geführt von Shri
Karttikeya auf seinem Pfau und die Devas, geführt von Shri
Indra auf seinem weißen Elefanten gegen den Knaben in den
Krieg zogen. Und wieder konnte sich der Keule und Stock
schwingende Jüngling tapfer gegen alle Attacken der
Angreifer erwehren. Mit aller Macht drängten die Armeen
heran um den reinen Sohn der Göttin zu besiegen und als die
göttliche Parvati dies sah, stieg der Zorn in ihr hoch und
ließ zwei schreckliche Shaktis, Kali und Durga erscheinen,
welche ihrem Sohn im Kampf gegen die Devas und Ganas
beistehen sollten. Sofort stürzten sich die furchtbaren
Shaktis, reitend auf Löwe und Tiger, in den Kampf. Die
schrecklich anzusehende Kali, mit einer Kette aus Schädeln
geschmückt und mit heraushängender Zunge, öffnete ihr
riesiges Maul und verschlang mit einem Male alle Waffen der
Angreifer. Shri Durga nahm die Form eines Blitzes an und
zersplitterte alle Waffen der Feinde in Stücke, bevor sie
den mutigen Knaben erreichen konnten. Durch die
Intervention dieser beiden furchterregenden Shaktis,
konnten die Waffen der Angreifer dem keulenschwingenden
Knaben nicht mehr nahe kommen. So wurde Shri Indra mit
seinen himmlischen Scharen in die Flucht geschlagen und
sogar Shri Karttikeya, welcher den unbesiegbaren Tarakasura
getötet hatte und unter dem Namen Skanda als Gott des
Krieges bekannt, war hilflos.
Nachdem sich die Götter zurückgezogen und wieder gesammelt
hatten, beschlossen sie Shri Shiva zu berichten und begaben
sich zu seinem einsamen Aufenthaltsort. Und obwohl sie in
vielen Schlachten erfahren waren, hatten sie dennoch noch
nie solch einen Krieg gesehen oder davon gehört. Als sie so
verzweifelt Shri Shiva anriefen, erhob sich dieser
schließlich aus seiner Versenkung, um den Knaben mit seinen
eigenen Händen zu töten. Wie ein Donner kam er vom Kailash
herab, gefolgt von all den Devas und Ganas.
Der furchtlose Knabe sah dem Kommen Shri Shivas gelassen
entgegen und stürzte sich sofort auf die höchsten Götter,
um sie zu bekämpfen und so den Auftrag seiner Mutter zu
erfüllen. Als Shri Shiva den Knaben im Kampfe sah, erkannte
er, dass dieser unbesiegbar und nur durch eine List zu
schlagen war. Nun kam Shri Vishnu dem hohen Gotte zu Hilfe
und versuchte den furchtlosen Jüngling durch seine Kräfte
der Illusion abzulenken. Aber auch Shri Durga und Kali
erkannten die Gefahr und projizierten ihre Kräfte auf den
Knaben, damit dieser den Illusionen Vishnus nicht erliege.
Da sauste auch schon der große Weltennährer auf seinem
Himmelsvogel Garuda aus den Lüften herab auf den Tapferen
zu. Doch der Knabe zögerte nicht und schleuderte seine
kampferprobte Keule gegen den Gott. Nur unter Aufbietung
all seiner Kraft vermochte Shri Vishnu diesem schrecklichen
Angriff auszuweichen. Nun griff Shri Shiva in den Kampf
gegen den Jüngling ein, doch mit einem schnellen Schlag
seines Stockes entwaffnete dieser den Höchsten. Und als der
große Gott seinen mächtigen Bogen hob, zerschmetterte der
Jüngling auch diesen. Da schleuderte Shri Vishnu seinen
Diskus und zerteilte damit die Keule des Knaben. Doch
dieser, unbesiegbar und kämpfend wie ein Löwe warf das in
seiner Hand übrig gebliebene Teil der Waffe mit aller Kraft
gegen den Angreifer. Nur im letzten Augenblick konnte
Garuda, der Gefiederte, den Angriff abwehren und seinen
Herrn und Gebieter schützen. Nun sprang Shri Vishnu von
seinem Reittier und stand dem mächtigen Kämpfer Auge in
Auge gegenüber. Da hatte sich Shri Shiva auch schon dem
tapferen Knaben von hinten genähert und enthauptete diesen
mit einem mächtigen Wurf seines scharfen Dreizacks.
Für einen Moment herrschte völlige Stille und alle
himmlischen Wesen starrten auf den getöteten Helden. Die
Ganas und Devas begannen ein großes Jubelgeschrei –
doch Shri Shiva war besorgt. Wie konnte er nun Parvati
unter die Augen treten, da er doch ihren Sohn getötet
hatte.
Als Shri Parvati erkannte, dass ihr Sohn auf unfaire Weise
getötet worden war, wurde sie sehr wütend und schuf
Tausende schreckliche Shaktis, welche all die Devas und
Ganas vernichten sollten. Und wieder hub ein furchtbares
Töten in den Sphären an. Sogar die höchsten Götter, Shri
Vishnu und Shri Brahma bekamen große Angst und begaben sich
zum Thron der großen Göttin, um Sie zu besänftigen und um
Gnade zu bitten. Shri Vishnu eröffnete die Rede und bat die
Reine: „Oh große Göttin, gewähre uns deine Gnade. Was
immer Du wünscht soll geschehen, bitte vergib uns!“
Parvati antwortete mit sanfter Stimme: „Ich vergebe
euch. Aber mein Sohn muss das Leben zurückgewinnen und eine
ehrenvolle Stellung unter euch erhalten.“
So begaben sich die Unterhändler zurück zu Shri Shiva um
diesem Herrlichen die Bedingungen Parvatis vorzutragen.
Shri Shiva entschied daraufhin: „So soll es sein, um
des Friedens und der Freude wegen. Geht nach Norden und
bringt mir den Kopf der ersten Kreatur, die euren Weg
kreuzt. Fügt diesen sodann auf den Körper des Knaben und er
wird wieder zum Leben erwachen.“
Nun begaben sich die Götter auf den Weg nach Norden, bis
ein Elefant mit einem Stoßzahn ihren Weg kreuzte. Nachdem
sie ihren Auftrag erfüllt hatten, kehrten sie zurück und
fügten den Elefantenkopf auf den Körper des getöteten
Knaben. Shri Brahma sprengte etwas Lebenswasser auf den
Toten und so wurde dieser wieder zum Leben erweckt. Erfreut
brachten sie ihn zu seiner Mutter zurück, welche jedoch
ihre Bedingungen noch nicht vollständig erfüllt sah, hatte
Sie doch einen angemessenen Status für ihren Sohn verlangt.
In diesem Augenblick geleiteten Indra und die anderen
Götter Shri Shiva vor den Thron der großen Göttin.
Shri Shiva verneigte sich vor seiner Gattin und sprach:
„Verzeih mir, oh Parvati. Arroganz ist ein Merkmal
des Männlichen. Dieser tapfere Junge soll auch mein Sohn
sein.“
Dann legte er seine Hand auf das Haupt des Knaben und
spracht ernst: „Sogar als kleiner Junge zeigtest Du
große Tapferkeit. Du sollst Shri Ganesha genannt werden und
der oberste Offizier all meiner Ganas sein. Du sollst der
ewigen Verehrung würdig sein und auch unter dem Namen
Vighnanasha, Beseitiger aller Hindernisse, angerufen
werden.“
In der Folge lebten Shri Shiva
und Parvati in ihrem himmlischen Reich wieder glücklich
zusammen, entzückt von der Anmut ihrer beiden Söhne. Und
bis heute wird Shri Ganesha um seinen Segen angerufen,
bevor ein Unternehmen begonnen wird.
Quellen:
Amar Chitra Katha Vol. 509
Lexikon der indischen Mythologie, Jan Knappert, Seehamer
Bearbeitung: Siegfried H.